Text: Copyright © by S. Petsche, T. Schulz, M. Uhlmann / 200bar.de
Susi und Torsten sind selbst tauchende Physiotherapeuten
Grafiken: Frank Lorenz - dankeschön!
Rückenbeschwerden sind zur Volkskrankheit Nr. 1 herangewachsen. Bewegungsmangel, ständiges Sitzen im Büro, Fehlbelastungen -
die Gründe dafür sind vielfältig. Auch beim Tauchsport gilt es einiges zu beachten. Dieser gemeinsam mit 2 Physiotherapeuten erstellte Beitrag
klärt über die Ursachen auf, beschreibt wie man Fehlbelastungen vermeidet und gibt etliche Hinweise und Praxistipps, um auch noch im Rentenalter
ohne Kreuzschmerzen und Bandscheibenvorfall unseren Sport genießen zu können!
Ein stiller Waldsee, es riecht nach Natur und Neopren. Mit gelassener Betriebsamkeit wird die
Ausrüstung am etwas abseits liegenden Parkplatz vorbereitet. Du bist voller Vorfreude auf einen
entspannten Tauchgang. Also: Anrödeln, Buddycheck und losgestiefelt! Doch dann: "Mist ist das Gerödel schwer! War das beim letzten Mal auch
schon so? Und dieses ziehen im Rücken..."
Da fragt man sich doch, warum unsere Vorfahren so dumm waren das Wasser zu verlassen um
ihre Flossen gegen Gliedmaßen einzutauschen. Das Rad der Geschichte läßt sich
nicht mehr zurückdrehen, finden wir uns also damit ab. Nun stellt sich aber die Frage: Woher
kommen die Rückenschmerzen und was kann man dagegen tun?
Die Sache mit der Belastungsachse
Der menschliche Körper ist für die aufrechte Fortbewegung optimiert. Insbesondere auch unsere
Wirbelsäule mit ihren Wirbelkörpern, Bandscheiben und Bändern, sowie die sie umgebende Muskulatur
ist auf diese Form der Belastung ausgerichtet. So können nach Rucksackart möglichst zentriert und
nah an der Wirbelsäule oder gar auf dem Kopf große Lasten getragen werden.
Schlecht wird es erst, wenn wir diese sehr stabile vertikale Belastungsachse verlassen. Schon relativ
geringe Gewichte bringen dieses Gleichgewicht aus dem Lot und bewirken große Kräfte
an der Wirbelsäule entgegen der Belastungsachse. So trägt sich ein Getränkekasten allein
nicht gut, der Bleigurt läßt uns unter Wasser "durchhängen" und die Unart,
sich die Flasche allein und möglichst cool auf den Rücken zu hieven, ist alles andere als
gesund. Unsere Wirbelsäule nimmt uns dies oft übel und reagiert mit
Schmerzen. Wer seinen Rücken schonen will, sollte also Fehlbelastungen vermeiden und die
folgenden Tipps beherzigen:
Wie legt man die Ausrüstung richtig an?
Das Anlegen der Ausrüstung im Sitzen ist die
wahrscheinlich schonendste Methode. Dabei steht das Gerät irgendwo in Sitzhöhe. Man schlüpft in das
Jacket, verschließt alle Gurte und muss zum Schluss nur noch aufstehen. Bei möglichst geradem
Rücken wird dabei nur die Oberschenkelmuskulatur belastet, die damit keine Probleme hat. Zum
Abstellen des vorher komplett montierten Gerätes bieten sich Tische, Bänke, Stühle, die Kofferraumkante
eines Kombi's oder zur Not auch die Motorhaube des Tauchpartners an :-).
Ist nichts dergleichen vorhanden, dann kann auch der Tauchpartner helfen. Zur Schonung
seines eigenen Rückens ist es dabei aber sehr wichtig, dass er in die Knie geht und
das Gerät dann mit geradem Rücken und körpernah aus den Beinen heraus anhebt (eine Hand
am Ventil und die andere unter dem Flaschenboden).
Ansonsten gibt es auch noch die rückenschonende Möglichkeit das Tauchgerät im Wasser
anzulegen. Dies erfordert allerdings etwas mehr Training und ist bei Wellengang oder
Strömung auch nicht gerade zu empfehlen.
Die Varianten "Anlegen über Kopf" oder gar das Tauchgerät am Jacketgurt vom Boden
hochzuwuchten und wie eine Jacke anzuziehen sind so verbreitet wie ungeeignet.
Bei beiden Methoden beugt man sich vor und verläßt so die stabile vertikale
Belastungsachse. Durch das zusätzliche Gewicht der Ausrüstung entstehen insbesondere für
die Lendenwirbelsäule äußerst ungünstige Hebelverhältnisse und Belastungen, welche
sich durch die Drehung des Oberkörpers zusätzlich verstärken.
Wer das Rentenalter ohne Kreuzschmerzen und Bandscheibenvorfall erreichen möchte, sollte sich diese
Methoden nicht von den "Profis" abschauen!!!
Was ist beim Tauchgang zu beachten?
Nun sind wir zwar rückenschonend angerödelt, aber auch in der scheinbaren Schwerelosigkeit des
Tauchgangs lauern noch Gefahren. Hier meinen wir nicht die "Killermuränen" und "Ninja-Hechte",
welche uns nach dem Leben trachten. Nein, auch die Lage des Körpers im Wasser kann uns Schmerzen zufügen.
Vielen Sportfreunden macht hier in erster Linie der Bleigurt zu schaffen. Beim Einen drückt er schmerzhaft
auf die Hüftknochen, beim Anderen rutscht er ständig runter, weil der Gurt auf einer Kugel
nicht so recht halten will ;-). Aber auch unser Rücken leidet, da er durch die permanente
Last des Bleigurtes in eine Hohlkreuz - Position gedrängt wird. Dabei werden die Bandscheiben
der Lendenwirbel einseitig stark gestaucht, was nicht nur Rückenschmerzen am Abend, sondern
auch Langzeitschäden zur Folge haben kann. Wer mit viel Blei unterwegs ist (dicker Anzug, Trocki u.s.w.)
der wird insbesondere bei langen Tauchgängen schon im Wasser dieses Problem spüren. Für kurzzeitige Entlastung kann
man hier sorgen, indem man einen "Katzenbuckel" macht und die Knie zum Brustkorb zieht. Da es sich in dieser
Position aber eher schlecht tauchen läßt, sollte man sich Gedanken um eine geeignetere Ausrüstung machen.
Am Rande sei hier auch der negative Einfluss einer zu kurz geratenen Kopfhaube erwähnt. Das Problem ist hier nicht die
Tatsache, dass die Stirn schutzlos dem kalten Wasser ausgesetzt wird - dies ist nur unangenehm. Vielmehr wird der Kopf
ständig nach hinten in den Nacken gezogen, wodurch die Halswirbelsäule überstreckt und die Zwischenwirbelkörper gestaucht werden.
Diese Belastung kann im Laufe des Tauchgangs zu Beschwerden im Nacken und zu Kopfschmerzen führen.
Welche Ausrüstung sollte man wählen?
Unbedingt zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang ein bleiintegriertes Jacket. Hier kann, je nach Modell, das Blei teilweise
oder auch komplett im Jacket verstaut werden. Dies hat gleich mehrere Vorteile:
- Beim laufen / stehen verteilt sich die Last wie bei einem Rucksack auf beiden Schultern
- Beim Tauchgang entfällt die punktuelle Belastung der Lendenwirbelsäule, da das Gewicht über die Tragschale und Begurtung großflächig und harmonischer auf Rücken und Schultern verteilt wird
- Der Bleigurt kann nicht mehr ver- oder runterrutschen
Aus eigener Erfahrung können wir berichten, dass der Unterschied zu einem herkömmlichen Jacket enorm ist -
es taucht sich deutlich "unbeschwerter"! Leicht nachvollziehbar ist wohl auch die Tatsache, dass so
auch die Gefahr von Langzeitschäden verringert werden kann. Einige Praxistipps wollen wir Ihnen in diesem
Zusammenhang noch mit auf den Weg geben:
- Es macht keinen Sinn seinen eigenen Rücken zu entlasten und dem Tauchpartner das Hochwuchten des Jackets incl. Blei zuzumuten. Es ist sinnvoller, die Bleitaschen erst nach dem Anlegen des Gerätes am Jacket zu befestigen.
- Bleiintegr. Jackets haben meist große Bleitaschen im vorderen Bereich und sogenannte Trimmbleitaschen auf dem Rücken. Diese sollten Sie auch nutzen, da dies Ihre Lage an der Oberfläche stabilisiert und das "nach vorn kippen" vermindert. Achtung: Das Trimmblei ist i.d.R. nicht abwerfbar!
- Die großen Bleitaschen müssen Sie im Notfall natürlich ablegen können. Dieses Schnellabwurfsystem wird meist mit Klettverschlüssen realisiert, manche Modelle haben auch eine Fastex-Schnalle. Achten Sie unbedingt darauf, dass Sie die Taschen nicht aus Versehen verlieren können, im Notfall jedoch schnell abzuwerfen sind!
- Zur Schonung des Jackets ist Softblei zu empfehlen. Die harten Kanten von Blockgewichten könnten beim Ablegen das Material durchstoßen.
- Weit verbreitet ist auch die Methode, nur einen Teil des Bleis in das Jacket zu stecken und einen Rest auf dem Gurt zu lassen. Bei Bleimengen ab 10kg ist dies sogar notwendig, da nur wenige Jackets mehr aufnehmen können.
- Bleiintegrierte Jackets sind nicht gerade billig. Vernünftige Modelle gibt es ab ca. 350,- Euro. Der Rücken wird es einem jedoch danken. Wer mit seinem bisherigen Jacket zufrieden ist kann auch auf ein "Hosenträger - Gewichtssystem" zurückgreifen, welches unter dem Jacket getragen wird und ab ca. 100,- Euro zu haben ist. Der entlastende Effekt beim Tauchgang ist hier - je nach Modell - allerdings nicht ganz so groß, da sich das Gewicht nicht über eine feste Tragschale auf dem Rücken verteilt.
Was kann ich sonst noch tun, um Rückenprobleme zu vermeiden?
Richtige Ausrüstung ist zwar von großer Bedeutung, reicht aber allein nicht aus, um Beschwerden vorzubeugen.
Dafür muss schon etwas mehr getan werden. Nur wenn die Rücken- und Bauchmuskulatur in gleichem Maße gekräftigt wird,
kann man langfristig Rückenschmerzen vorbeugen. Die Muskulatur wirkt nämlich wie ein Korsett. Je besser diese ausgebildet ist,
desto effektiver wird sie die Wirbelsäule entlasten können. Zusätzlich können wir durch richtiges Bewegen Schäden
vorbeugen.
Zur Kräftigung der Muskulatur ist es empfehlenswert, sich von einem Fachmann ein persönliches Übungsprogramm zusammenstellen
zu lassen und diese Übungen dann regelmäßig zu trainieren. Wenn Sie unsere Übungsbeispiele nutzen möchten ist es notwendig,
zumindest beim ersten Mal die korrekte Ausführung von einem Arzt oder Physiotherapeuten überwachen zu lassen. Falsche Ausführung
kann Schäden verursachen!
Übungsbeispiele:
Um einen Trainingseffekt zu erreichen sollte regelmäßig, mindestens 2-3 mal die Woche
geübt werden. Machen Sie von jeder Übung 2-3 Sätze mit je 10-15 Wiederholungen. Als Unterlage empfiehlt sich eine Decke oder dünne Isomatte. Das Bett oder ein kalter Fußboden
sind ungeeignet. Bei akuten Beschwerden halten Sie vorher unbedingt Rücksprache mit Ihrem Arzt!
1. "gerade Bauchmuskeln"
In Rückenlage die Knie anwinkeln (ca. 90°Grad im Hüftgelenk). Heben Sie nun den Oberkörper bis zur Schulterblattspitze an.
Die Hände unterstützen dabei den Kopf, ohne daran zu ziehen. Die Augen fixieren einen Punkt an der Zimmerdecke.
- leichter: Arme vor der Brust verschränken, Unterschenkel ablegen (Stuhl o.ä.)
- schwerer: Arme neben dem Kopf ausstrecken, Zusatzgewichte...
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2. "schräge Bauchmuskeln"
Ausgangslage und Hinweise wie oben. Oberkörper anheben und abwechselnd nach links und rechts aufdrehen. (Rechter Ellenbogen zeigt in Richtung linkes Knie - linker EB zum rechten Knie u.s.w.)
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3. "untere Bauchmuskeln"
In Rückenlage die Füße in die Luft strecken, die Arme liegen dabei neben dem Körper. Nun den Po leicht anheben und die Beine zur Decke schieben.
- schwerer: Arme hinter den Kopf, Oberkörper anheben, in Schräglage, Zusatzgewichte...
- leichter: an einem Möbelstück oder den Füßen des Partners festhalten
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4. "untere Rückenmuskulatur"
Suchen Sie sich eine geeignete Unterlage. Am besten wäre ein Gymnastikball, zur Not tut's ein Tisch oder die Sessellehne.
So hinlegen, dass der ganze Oberkörper abgelegt ist, mit den Händen können Sie sich irgendwo festhalten. Nun
langsam den Po so hoch wie möglich anheben und langsam wieder senken. Dies wird aber nur durch die Rückenmuskulatur
erreicht, Sie sollen nicht mit den Beinen "schieben". |
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5. "Rückenstrecker"
Aus der Position "auf allen Vieren" wird wechselseitig je ein Arm und Bein bis zur Waagerechten angehoben.
Dabei ist die Stirn parallel zur Unterlage, der Rücken bleibt gerade (kein Hohlkreuz!) und der Bauch ist die ganze Zeit fest angespannt.
- Varianten: Handstütz, Fauststütz, Ellenbogenstütz
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6. "Rücken- und Rumpfmuskulatur"
Ausgangsstellung ist die Bauchlage. Stützen Sie sich nun auf die Unterarme und die Zehen. Der Körper
dazwischen bleibt gerade, auch hier dürfen Sie nicht ins Hohlkreuz fallen oder den Po hochstrecken.
Halten Sie diese Körperspannung für ca. 8 Sekunden, bevor Sie den Körper wieder ablegen dürfen.
- schwerer: Wie bei Übung 5. zusätzlich Arme und Beine diagonal bis zur Waagerechten anheben
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Viel Spaß am Tauchsport ohne Wehwehchen wünschen die Autoren und 200bar.de!
Relevante Anatomie:
Die Wirbelsäule stabilisiert die Aufrichtung des Körpers um eine vertikale Achse.
Wenn wir uns die WS von der Seite anschauen finden wir im Bereich der Hals- und
Lendenwirbelsäule eine Krümmung noch vorne und in der Brustwirbelsäule sowie im Bereich des
Kreuzbeins eine nach hinten. Durch diese Doppel S-Form kann sie besonders axiale Belastungen
die auf den Körper einwirken abfangen. Sie wird aus 7 Hals-, 12 Brust- und 5 Lendenwirbel
sowie aus Kreuz- und Steißbein gebildet. Zwischen den einzelnen Wirbeln liegen die
Bandscheiben, welche die Belastung ähnlich einem Autostoßdämpfer abfangen . Wenn also die
WS z.B. beim gehen belastet wird, fangen die Bandscheiben die Belastung gleichmäßig ab und
verteilen diese.
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